Monday, March 06, 2006

Ferngesteuerte Sexualität

Das Geheimnis der Pheromone

Pheromone sind nichts anderes als Hormone mit Fernwirkung – das heißt, sie wirken nicht auf die Organe des eigenen Körpers, sondern auf das Verhalten anderer Individuen der gleichen Art. Abgegeben werden Pheromone über die Haut oder über spezielle Drüsen. Bei den Säugetieren gibt es ein eigenes Organ zur Registrierung von Pheromonen: das Jacobsonsche Organ oder auch Vomeronasalorgan. Es liegt paarig an der Basis der Nasenscheidewand und mündet meist in den Mundraum. Wenn Großsäuger flehmen, versuchen sie, Pheromone aufzuspüren.

Im Vomeronasalorgan werden die Pheromone detektiert und lösen ein artspezifisches Verhalten aus. Versuche mit genveränderten Labormäusen konnten zeigen, dass durch die Pheromone vor allem das Erkennen des Geschlechtes des Artgenossen gesteuert wird. Dabei löst das Pheromon ein aggressives Verhalten gegenüber dem eigenen Geschlecht aus. Zum Paarungsverhalten kommt es nur beim Gegengeschlecht. Werden die Gene für die Pheromonrezeptoren ausgeschaltet, so bleibt die Aggression gegen Geschlechtsgenossen aus – im Gegenteil, sie werden nun sogar als potenzielle Geschlechtspartner betrachtet. Bei den Mutanten setzt das typische Paarungsverhalten auch gegenüber Geschlechtsgenossen ein – die Mäuse sind bisexuell. Die Experimente zeigen, dass die Pheromone bei den Säugetieren in der Regel nicht die Paarung einleiten, sondern die Paarung mit Geschlechtsgenossen unterbinden!

In diesem Zusammenhang ist es von Interesse, dass beim Menschen das Vomeronasalorgan nur rudimentär angelegt ist oder überhaupt fehlt. Aber auch alle Gene, die die Pheromonrezeptoren sowie die Signaltranduktoren codieren, sind funktionsuntüchtig. Bei intaktem Vomeronasalorgan erfolgt die Signalverarbeitung und Verhaltenssteuerung unbewusst im akzessorischen Riechkolben, der beim Menschen auch nicht mehr vorhanden ist. Und nicht nur beim Menschen ist das Vomeronasalorgan ausgefallen – diese Degenerationerscheinung tritt bei allen Altweltaffen auf und geht erstaunlicherweise mit der Entwicklung des Farbsehens (Codierung von Farbrezeptoren) einher. Die Neuweltaffen besitzen ein intaktes Vomeronasalorgan, sind aber farbenblind! Daher ist die zurzeit vieldiskutierte Theorie naheliegend, dass die Pheromondetektion zugunsten des Farbsehens aufgegeben wurde – und das Sexualverhalten jetzt primär über visuelle Signale gesteuert wird. In diesem Zusammenhang ist es besonders auffällig, dass es bei Pavianen und anderen Altweltaffen starke Farbsignale im sexuellen Bereich gibt – bis hin zu extrem bunten Genitalien. Außerdem fällt bei unseren nächsten Verwandten – den Zwergschimpansen oder Bonobos – auf, dass sie in ihrem sexuellem Verhalten nicht zwischen den Geschlechtern differenzieren. Die Sexualität bekommt dort eine soziale Funktion neben der Fortpflanzung: sie dient der Gruppenbildung und dem sozialen Zusammenhalt sowie dem Aggressionsabbau. Feldforschungen haben gezeigt, dass die matriarchal strukturierten Bonobo-Gruppen regelmäßige sexuelle Kontakte untereinander pflegen – sozusagen jeder und jede mit jeder und jedem.

Beim Menschen dürfte die Sache ganz ähnlich liegen. Das bevorzugte Sexualobjekt scheint nicht festgelegt zu sein, sondern ist offen. Ob Pheromone (z.B. Androstenon) beim Menschen noch eine Wirkung haben, ist sehr umstritten. Diesbezügliche Studien zeigen keine eindeutigen Ergebnisse. Zumindest konnte keine robuste Verhaltenssteuerung nachgewiesen werden. Es dürfte aber noch eine Resterinnerung an die einstigen Wirkstoffe geben, da Parfüms, die tierische oder tierähnliche Pheromone (Moschus, Amber, Trüffel, Abelmoschus) enthalten, sich immer noch einer gewissen Beliebtheit erfreuen. Allerdings sind diese Pheromone beim Menschen nicht mehr verhaltensbestimmend, sondern bleiben schwache Attraktoren, die nur noch eine preferenzielle Neigung im Menschen auslösen. Die Substanzen scheinen also nach wie vor eine subtile Wirkung auf die hedonistische Motivation zu haben, auch wenn sie nicht mehr über ein vomeronasales Organ erkannt werden können.

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