Tuesday, August 22, 2000

Naturwissenschaft

Ich möchte hier ein paar allgemeine Aussagen über die Naturwissenschaften verlieren. Die Naturwissenschaft wird immer wieder totgesagt, dennoch erfreut sie sich eines regen Lebens. Nicht nur daß sie aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken ist, sondern auch in den nicht- und gegenwissenschaftlichen Strömungen genießt sie eine respektable Vorbildwirkung. Es handelt sich dabei um die Dominanz ihrer Methoden, die von allen Bereichen scheinbar oder auch versuchsweise übernommen werden. Das hat seinen psychologischen Grund wohl darin, daß Naturwissenschaft nicht argumentiert, sondern beweist, wie Pietschmann es formuliert. Auch völlig unwissenschaftliche Theorien rekurrieren naturwissenschaftliche Ergebnisse zur Stützung ihrer Behauptungen (z.B. Esoterik, Homöopathie, Astrologie etc.). Und das obwohl sie immer wieder betonen, daß ihre scheinbaren Erkenntnisse naturwissenschaftlich nicht zu erfassen seien. Das ist insofern erstaunlich, da Erkenntnis im strengen Sinn nur über naturwissenschaftliche Methodologie erfahrbar ist. Wenn man eine Aussage jedoch weder bewerten noch über sie diskutieren kann, dann kann man mit Recht sagen, daß sie irrelevant ist (Karminer).
Wissenschaft ist Methodologie: Methode heißt ursprünglich "Wegefindung" oder "Pfadfolge". Und das ist es auch, was Naturwissenschaft auszeichnet.
Es herrscht in manchen Menschen eine unbändige Angst vor der Naturwissenschaft, eine Scheu vor der scheinbar übermäßigen Rationalität in ihr. Doch hier wird Naturwissenschaft völlig verkannt. Die Naturwissenschaft hat zwei Seiten: eine rationale und eine irrationale. Rational ist in der Wissenschaft nur die Darstellung ihrer Ergebnisse sowie der Diskurs darüber (oder sollte es zumindest sein!). Irrational ist hingegen der wesentlichere Teil der Naturwissenschaft, nämlich die Methode. Es gibt keine rationale Rechtfertigung oder Begründung für ihr induktives Vorgehen, doch der Erfolg gibt ihr recht. Sie gleicht somit unserem alltäglichen Verhalten in bezug auf unsere Umwelt. Wir schließen von gestern und heute auf morgen und übermorgen, obwohl es keinen vernünftigen Grund gibt, es so zu halten. Dennoch bewährt sich diese Vorgangsweise in der Regel recht gut.
Die Aufgabe der URANIA wäre es nun, das Vorurteil der strengen Rationalität der Naturwissenschaft und somit die Angst vor ihr zu nehmen. Und es wäre ebenso ihre Aufgabe, zu vermitteln, daß die naturwissenschaftliche Methode die beste Basis zur Beurteilung von Sachverhalten ist – so wackelig sie auch sein mag. Jeder Aussagesatz ist ein Urteil (a sentence), und von daher ist es nur sinnvoll, diese Sätze auf eine empirische Basis zu stellen. Wobei es durchaus klar ist, das wissenschaftliche Aussagen von der Erfahrung her unterbestimmt sind (Quine). Dennoch muß man mit Fischer feststellen: Die Welt wird dem Menschen gleichgültig, weil alles gleich gültig ist. Was allerdings für Aussagesätze gilt, gilt nicht für Sätze anderer sprachlicher Provenienz (z.B. für Fragesätze und normative Sätze). So spielt in der Ethik die Empirie keine Rolle, da ihren Sätzen die Kathegorie Wahrheit nicht zukommt. Wahrheit bezieht sich nur auf Propositionen über Sachverhalte. Das sollte man niemals vergessen. Die Ethik ist – wenn man so will – vorempirisch, da die Naturwissenschaft selbst normative Forderungen voraussetzt (z.B. Wahrheit, Klarheit, Einfachheit, Intersubjektivität, Kohärenz, etc.).
Und dieses sehr wichtige Kohärenzprinzip, daß vor allem auf Karnap zurückgeht, ist äußerst wichtig für die Beurteilung von Wissenschaftlichkeit. Wissenschaftlich kann demnach eine Aussage nur sein, wenn sie nicht im Widerspruch zum Gesamtgefüge der Wissenschaft steht. Das ist wichtig, denn nur auf der Basis der Newtonschen Physik war es möglich, den Schritt zur Relativitätstheorie zu machen. Und diese ist auch nicht widerlegt, sondern als Spezialfall erkannt und auf ihren Platz verwiesen. Und dieses Kriterium ist auch wichtig, um die Naturwissenschaften von der Scharlatanerie abzugrenzen, man denke nur an den Fall Hamer. Somit kommt der Wissenschaft auch eine aufklärerische Aufgabe zu, und diese scheint mir in unserer Zeit wichtiger als je zuvor.

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