o tempora, o mores!
Plötzlich werde ich damit überrrascht, dass mir anstatt der üblichen Verbindungen von Worten mit ‚ist‘ und ,ist nicht‘ kein Satz mehr begegnet, in dem nicht ein ,sollte‘ und ,sollte nicht‘ sich fände. Dieser Wechsel vollzieht sich unmerklich; aber er ist von größter Wichtigkeit.
David Hume
David Hume
Mit seinem neuen Buch „99 moralische Zwickmühlen“ ist dem australischen Philosophen und Pädagogen Martin Cohen nach seinen „99 philosophischen Rätseln“ wieder ein kleines Meisterstück gelungen. Mit über 99 Kurzgeschichten, zum Teil fiktiv, zum Teil mit realem Hintergrund, die alle eine ethische Fragestellung beinhalten, entführt uns der Autor in das unüberschaubare Universum der Moralphilosphie, wobei er es dem Leser selbst überlässt, Antworten zu finden. Erst im zweiten Teil kommentiert er jede einzelne Geschichte, indem er uns die verschiedenen Ansätze der großen Philosophen vorstellt oder die historischen Hintergründe eröffnet. So stellt er unter anderem folgende Fragen: Welche Bedeutung hat der lokale Brauch bei der moralischen Einschätzung einer Situation? Handelt der Mensch nur dann ethisch, wenn er gesehen wird, und pfeift er auf die Moral, wenn er sich unbeobachtet fühlt? Kann ein Täter zur Rechenschaft gezogen werden, wenn ein Psychologe die Unzurechenbarkeit zur Tatzeit adjustiert? Sind moralische Urteile prinzipiell situations- und zeitabhängig oder universell gültig? Soll die Ethik auf die gesamte belebte Natur ausgedehnt werden? Kann es einen gerechten Krieg oder ein gerechtfertigtes Töten geben? Heiligt der Zweck die Mittel? Inwieweit können die Sprachregelungen der Machthaber unseren Sinn für die Gerechtigkeit trüben? Können wir Situationen überhaupt neutral beurteilen? Kann es daher so etwas wie Gerechtigkeit geben? Und was ist Gerechtigkeit?
Neben den vielen Fallbeispielen aus der menschlichen Vergangenheit (bis hin zur Gegenwart) ist auch das anschließende Glossar positiv hervorzuheben, in dem er nochmals in prägnanter Kürze auf diverse moralphilosophische Begriffe und Autoren eingeht. Dort finden sich unter anderem auch Informationen zur islamischen Ethik, zur Sklaverei oder zur Umweltethik. Unter dem Stichwort „Lügen“ gelingt ihm der wichtige Nachweis, dass uns die postmoderne Philosophie in eine ethische Sackgasse führt, indem sie jeden Diskurs über Moral ad absurdum führt (wenn es kein Richtig oder Falsch gibt, kann es auch keine Ethik geben).
Zum Schluss möchte ich zwei der 99 Zwickmühlen herauspicken, um Geschmack auf das Buch zu machen:
Neben den vielen Fallbeispielen aus der menschlichen Vergangenheit (bis hin zur Gegenwart) ist auch das anschließende Glossar positiv hervorzuheben, in dem er nochmals in prägnanter Kürze auf diverse moralphilosophische Begriffe und Autoren eingeht. Dort finden sich unter anderem auch Informationen zur islamischen Ethik, zur Sklaverei oder zur Umweltethik. Unter dem Stichwort „Lügen“ gelingt ihm der wichtige Nachweis, dass uns die postmoderne Philosophie in eine ethische Sackgasse führt, indem sie jeden Diskurs über Moral ad absurdum führt (wenn es kein Richtig oder Falsch gibt, kann es auch keine Ethik geben).
Zum Schluss möchte ich zwei der 99 Zwickmühlen herauspicken, um Geschmack auf das Buch zu machen:
• Die Schule des Terrors (79) diente im ausgehenden 20. Jahrhundert über 50 Jahre lang als staatlich finanzierte Ausbildungsstätte für Leute, die in der Folge mit der Organisation von Todesschwadronen, der Durchführung von Erpressungen, der Exekution von unliebsamen Personen und der Verbreitung von Angst und Schrecken in der Bevölkerung diverser Staaten beauftragt wurden. Ist eine Bombardierung der Schule oder ein Angriff auf das betreffende Land gerechtfertigt? Präsident Busch erklärte 2001: „Jeder Staat, der Verbrecher und Mörder unschuldiger Menschen unterstützt, wird selbst zum Verbrecher oder Mörder. Und das wird ihnen zum eigenen Verderben gereichen.“ Wie wahr. Nur, das Land, das diese Schule in Ford Benning betrieb, war leider die USA unter der Aufsicht des CIA...
• Ein Hundert-Seelen-Dorf (97) wird von sechs Weißen beherrscht, die alle Ressourcen für sich beanspruchen. Der Rest lebt mehr oder weniger im Elend. Falls es ein Aufbegehren gegen diese Ungerechtigkeit gibt, wird mit überlegener Waffengewalt der Status quo wieder hergestellt. Ist das ein gerechter Zustand? Wer würde ein solch miserabel geführtes Dorf wollen oder unterstützen? Doch irgendjemand hat diesen Zustand wohl tatsächlich gewollt, denn unsere Welt entspricht in etwa dieser Verfassung...
Eine unterhaltsame Einführung in die Philosophie des richtigen Handelns
Aus dem Englischen von Rita Seuß und Thomas Wollermann
Serie Piper, München & Zürich 2005
Serie Piper, München & Zürich 2005
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