Monday, December 12, 2005

Ich bin so frei...

Next Liberty & Take Off

Tja, was kann das wohl meinen: „Next Liberty“? Es heißt jedenfalls: „die nächste Freiheit“, was auch immer damit gesagt sein soll. Nächst im Sinne einer Reihung, wohlgemerkt. Man nehme sich also eine weitere Freiheit heraus…
Intendiert war wohl „next to liberty“ oder „close to liberty“ – bezogen auf die Metallskulptur daneben. Als Präposition und nicht adjektivisch. So treibt die englische Mode ihre Stilblüten.
Oder schauen wir uns das Flughafenrestaurant „Take off“ an. Ob sich englischsprachige Besucher wirklich bei uns wohl fühlen können, wenn das Lokal (oh, Verzeihung, natürlich die location) so vulgär „verzieh dich“, „hau ab“ oder gar „krepier“ heißt? Ich nehme mir die Freiheit und wünsche Sie zum Teufel. Gewollt war wohl take-off – also der Abflug. Aber das schreibt sich im Englischen mit Bindestrich oder zusammen. Getrennt ist es ein gemeines Verb in der Befehlsform.
Den Vogel abgeschossen hat wohl Daffy’s Bar am Färberplatz mit dem Slogan „come in and find not out“! Ich nehme an, dass come in and don’t leave gemeint sein soll, denn come in and don’t find out ergibt nicht wirklich Sinn. Jedenfalls ist der Slogan alles andere als englisch – am ehesten vielleicht Pidgin.
In meiner Kindheit erzählten wir uns den Witz, dass Englisch eine komische Sprache sei, denn „ich“ heißt I und „Ei“ heißt egg und „Eck“ heißt corner. Heute scheint das Deutsche viel verworrener zu sein, wenn ein cellular phone zum „Handy“, ein stationary bike zum „Hometrainer“ und well-being zu „Wellness“ mutieren – je Wörter, die in keinem englischen Wörterbuch zu finden sind. Übertrumpft wird das ganze noch von völlig unenglischen Wortkreationen wie Trendsport, Self-Storage oder Patchwork-Family (letzteres eine Wortschöpfung, die im englischsprachigen Raum sicher als Beleidigung aufgefasst werden würde).
Ich will hier nicht die Frage stellen, was gegen Ausdrücke wie „zur Freiheit“, „Mobiltelefon“, „Zimmerrad“, „Wohlbefinden“, „Modesportart“, „Eigenverwahrung“ und „zusammen gewürfelte Familie“ einzuwenden wäre. Mir geht es eher darum, dass es wirklich unsinnig ist, wenn bei der Schaffung neuer Modewörter auf englische Wurzeln zurückgegriffen wird, deren künstliche Zusammensetzungen im Englischen keinen Sinn mehr ergeben oder deren Sinn völlig verdreht wird, wie zum Beispiel bei „Beamer“. Als beamer bezeichnet man im Englischen ein Motorrad von BMW. Das was im Deutschen damit bedacht wird, ist auf Englisch a projector. Das heute gebräuchliche Wort „Brackets“ für Zahnspange oder Klammer heißt auf Englisch in Wirklichkeit brace. Mit bracket wird originär ein typografisches Klammerzeichen oder eine Konsole denotiert. Und den „Buggy“ nennt der Englischsprachige übrigens pushchair. Das Home Office wiederum ist das Innenministerium und kein Büro zuhause. Bei einem Hometrainer denken Englischsprachige eher an einen Privatlehrer oder an einen Büstenhalter für junge Mädchen.
Interessant bei dieser Mode-Erscheinung – die im Vergleich mit anderen Sprachen im Deutschen besonders ausgeprägt zu Tage tritt – ist, dass mit englischer Form und Aussprache auch alle altphilologischen Begriffe akzeptiert werden, die in ihrer althergebrachten oder eingedeutschten Form sonst auf breite Ablehnung stoßen. So begegnen uns action (actio), cellulite (cellulitis), computer (computare), cyberspace (spatium cyberneticum), date (datum), event (eventus), face (facies), fan (fanaticus), fidelity (fidelitas), hippo (hippopotamus), liberty (libertas), member (membrum), memory (memorium), performance (performatio), quest (questus), recycling (recyclus), science (scientia), security (securitas), species (species), sex (sexus), terminal (terminare), tranquilizer (tranquillitas), velocity (velocitas), voting (votum), um nur einige Beispiele zu nennen.
Unabhängig davon bleibt die Frage bestehen, ob eine gewöhnliche Straßenmaut denn wirklich Roadpricing und der traditionelle Eibischteig so modisch Marshmallow heißen muss…

Ich danke Mark Soiseth aus Kanada für die vielen nützlichen Tipps und Hinweise.