Monday, September 22, 2008

Humanistisches Manifest

In seinem Plädoyer für eine zeitgemäße Leitkultur stellt Michael Schmidt-Salomon, Philosoph und Vorstand der Giordano-Bruno-Stiftung in Mastershausen, seine Überlegungen für eine neue ethische Grundhaltung vor, die auf eine moderne und wissenschaftlich gestützte „conditio humana“ abzielt. Er geht dabei gemäß dem Leitspruch Goethes vor: „Wer Wissenschaft und Kunst besitzt, hat auch Religion.“ Eine andere Form von Religion ist nicht erforderlich. Es bedarf keiner Dogmen und Glaubenssätze, keiner Rückbindung an etwas Göttliches. Daher lässt er den zweiten Teil des Goethe-Zitats nicht gelten: „Wer jene beiden nicht besitzt, der habe Religion.“ Hier setzt sein aufklärerischer Impetus ein, der die Menschen nicht in der „fremdverschuldeten“ Unmündigkeit belassen will. Und herkömmliche, dogmatische Religion ist hier hinderlich. Er spart daher nicht mit Religionskritik.
In seinem Manifest schließt er auch Rechte für Tiere mit ein. Es geht ihm nämlich um die Gleichberechtigung aller „Personen“ sowie um die Anerkennung der Leidfähigkeit von Tieren. Daraus leitet er seine zivilisatorischen Forderungen ab, die an die klassischen Ideen der Aufklärer und Humanisten anknüpfen. Dabei behält er aber stets die Erkenntnisse der Evolutionsbiologie über das Wesen des Menschen im Auge, allerdings ohne seine Ethik naturalistisch begründen zu wollen. Er betont selbst, dass das ein grober Fehler wäre. Sein Ansatz ist ein durchwegs epikuräischer. Letztendlich landet er bei der Goldenen Regel, dem ethischen Leitgedanken eines jeden „eigennützigen Altruisten“.
Meines Erachtens gelingt es Schmidt-Salomon mit diesem Büchlein, einen Entwurf für eine moderne Leitkultur vorzulegen, obwohl die Latte ziemlich hoch gelegt ist. Dabei ist er bestrebt, in seiner Argumentation frei von Ideologie und Dogmatismus zu bleiben. Dadurch erweist sich seine Ethik als nicht weltfremd. Das Buch ist jedenfalls eine gewinnbringende Inspirationsquelle für alle unvoreingenommen denkenden Menschen.

Michael Schmidt-Salomon
Manifest des Evolutionären Humanismus
Alibri Verlag, Aschaffenburg 2006 (2. Auflage)

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Thursday, September 18, 2008

Der Rhythmus, bei dem man mit muss...

Rhythmus ist die latinisierte Form des griechischen Wortes rhythmos, dass eine Ableitung des Verbums rheo (ich fließe, vergleiche dazu lat. rivus – Bach) darstellt und ursprünglich den ruhigen Wellenschlag an der Küste bezeichnet hat. Man erinnere sich nur an das Panta Rhei (alles fließt) von Heraklit. Heute ist Rhythmus ein international gebräuchliches Wort im Sinne von Puls, Takt, Metrum, Intervallfolgen, aber auch für jede andere regelmäßige Abfolge von Ereignissen oder Ereignisgruppen. Eine andere Ableitung desselben Verbums ist Rheuma (fließender Schmerz). Wenn man weiß, dass es sich bei Rhythmus um ein griechisches Wort handelt, braucht man nur dazusagen, dass es mit TH geschrieben wird, somit ist die Schreibung klar: in einem klassischen Fremdwort kann ein Ü nur durch ein Y wiedergegeben werden, und der Anlaut kann nur ein RH sein – wie bei allen griechischen Wörtern, die mit einem R beginnen. In Zusammensetzungen verdoppelt sich dieses R normalerweise, wie bei arrhythmisch, aber leider hat sich das nicht überall herumgesprochen, weshalb Biorhythmus und Polyrhythmik nur mit einem R geschrieben werden. Richtig ist hingegen, dass die Eurythmie ohne H erscheint. Die griechische Vorsilbe EU besitzt keinen Auslautkonsonanten, der mit dem Anlaut-R verschmelzen könnte (zu –RRH–), daher fällt auch das H aus, da das Altgriechische im Inlaut (außer eben bei Doppel-R) kein H kennt. Deshalb müsste es eigentlich Philarmonie und Anydrid heißen, so wie man auch Philipp (und nicht Philhipp), Tetraeder (nicht Tetraheder), Exodus (nicht Exhodus) oder Anode (nicht Anhode) sagt. Am H in Philharmonie und Anhydrid erkennt man, dass es sich hier um Neubildungen handelt, die nicht aus der altgriechischen Sprachkultur stammen. Dennoch ist das ein Zeichen für den Erfolg der klassisch-griechischen Kultur, dass es immer noch einige Wörter davon gibt, die weltweit gebraucht und verstanden werden, auch wenn die jeweiligen Aussprachen heute erheblich von der ursprünglichen Lautung abweichen. Klassisch sprach man es praktisch so aus, wie es geschrieben wurde: H-R-Y-T-H-M-O-S.

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Friday, September 12, 2008

Der Herr ist kein Hirte

„Wie Religion die Welt vergiftet“ – dieser Untertitel des neuen Buches von Christopher Hitchens, ein in Washington lebender Literatur- und Kulturkritiker aus England, trifft genau den Inhalt des Buches. Provokant und ohne Umschweife belegt er mit vielen historischen und aktuellen Beispielen, welchen verheerenden Einfluss Religionen auf unsere Gesellschaft haben und hatten. Dabei verweist er immer wieder auf die Erkenntnis, die bereits von David Hume aufgezeigt wurde, dass eine metaphysisch gestützte Moral (eine Ethik, die von einer höheren Instanz stammt) zu unmenschlichen und grausamen Handlungen führt, die, da sie im Namen Gottes vollzogen werden, eine scheinbare Rechtfertigung erfahren. Doch genau das ist Unmoral. Religion ist ein unmenschliches Programm, weil sie ja vorgeblich von einem „unmenschlichen“ Wesen stammt. Sie verbreitet Furcht, Intoleranz, Sexismus, Gewalt, Missbrauch und steht daher einem menschenwürdigen Zusammenleben im Wege. Eine gute Welt braucht keine Fesselung der freien Intelligenz durch Worte, die vor langer Zeit von unwissenden Männern gesprochen wurden. Sie braucht furchtlosen Ausblick auf die Zukunft (Bertrand Russell 1927).
Hitchens Buch ist eine gute Lektüre für alle, die sich gegen Übergriffe von Religionen auf Menschenrechte und Menschenwürde wappnen möchten, auch wenn die Übersetzung stellenweise etwas holprig ist.

Christopher Hitchens
Der Herr ist kein Hirte
Karl Blessing Verlag, München 2007

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