Wednesday, July 05, 2006

Ein Lichtblick für die Blinde…

Das österreichische Höchstgericht hat entschieden, dass einer transsexuellen Klägerin die offizielle Änderung des Geschlechts im Geburtenbuch nicht verweigert werden darf. In aller Kürze: Bisher wurde diese Richtigstellung mit der Begründung verweigert, dass die Klägerin schließlich verheiratet und die Ehe somit formal gleichgeschlechtlich wäre. Nach dem Grundsatz „Es kann nicht sein, was nicht sein darf“ verbot der Transsexuellen-Erlass die amtliche Korrektur des Geschlechtszustandes, wenn der/die AntragstellerIn verehelicht ist. Formal musste die Klägerin ein Mann bleiben, auch wenn sie seit geraumer Zeit als Frau lebte. Diesen Erlass brachte das höchstgerichtliche Erkenntnis nun zu Fall.

Für mich ist der momentane rechtliche Zustand in Österreich mehr als fragwürdig. Nach dem österreichischen Grundrecht gibt es das freie Vertragsrecht zwischen mündigen Bürgern, sofern der Vertrag nicht sittenwidrig ist. Da die Ehe nichts weiter als ein Vertrag zwischen zwei mündigen Personen ist, müsste sie grundsätzlich jedem zugänglich sein. Aber hier gibt es nun plötzlich Sonderregelungen, die die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft ausschließen. Zum Glück kennt in Österreich ohnehin niemand das Eherecht mit seinen obskuren Verpflichtungen, sonst müssten die Eheschließungen noch stärker rückläufig sein. Rein theoretisch dürfte aber jeder mit jemanden einen freien Ehevertrag eingehen. Sittenwidrigkeit kann hier kaum ins Gewicht fallen, wenn zwei Menschen ihr gemeinsames Leben vertraglich absichern möchten.

Zu bedenken möchte ich auch geben, dass die Ehe als Massenphänomen eine Erscheinung des 20. Jahrhunderts ist. Davor war es dem Großteil der Bevölkerung nicht erlaubt zu heiraten. Nur freie und finanziell unabhängige Männer durften sich eine Frau nehmen. Knechten, Dienstboten, Unfreie sowie vielen Frauen und Arbeitern war die Ehe untersagt. Und wenn dennoch – wie es die Natur verlangt – ein uneheliches Kind zur Welt kam, wurde die Frau und das Kind geächtet. Ehe war also bis in das 19. Jahrhundert ein patriarchales Konzept der feudalen Gesellschaft, dass die Herrschaft des Mannes über der Frau und ihren Nachwuchs zementierte. Mit der allgemeinen Demokratisierung wurde auch die Ehe nach und nach „demokratisiert“. Insofern ist fraglich, inwieweit das Ehekonzept überhaupt in eine moderne Gesellschaft passt, die ohnehin durch die fortschreitende Deregulierung alles andere als familienförderlich ist. Familien brauchen einen gemeinsamen Rhythmus mit gemeinsamen Zeiten und Aktivitäten. Und sie brauchen eine förderliche Umgebung. Beides ist immer weniger gegeben, da die Wirtschaft und der Handel alle diesbezüglichen Strukturen sukzessive zerstört. Also müssen wir fast nach alternativen Modellen (etwa Cybersex?) suchen!

Nichts desto trotz bleibt die Tatsache, dass die Diskussionen rund um die gleichgeschlechtliche Ehe eigentlich müßig sind, da das österreichische Grundrecht eigentlich das freie Vertragsrecht garantiert.

Die Realität hat übrigens die gängige Rechtpraxis ohnehin schon längst überholt!