ECCE TERRA
Die englische Gartenkunst ist das
Generalthema, das Gerhard Streminger in seinem Buch „ECCE TERRA“ aus historischer,
philosophischer und ästhetischer Sicht behandelt. Das Buch selbst gliedert sich
in drei Abschnitte: Im ersten Teil wird eine abenteuerliche Ballonfahrt
geschildert, wobei im Überflug Landschaft und Wetter von England beschrieben
werden. Der zweite und umfassendste Teil befasst sich mit der Geschichte der
englischen Gartenkunst, wobei philosophische und ästhetische Aspekte nicht
ausgespart bleiben. Im letzten Kapitel wird als Quintessenz der historischen
Entwicklung, die sich bewusst vom absolutistischen Barockgarten abheben wollte,
Abschied vom Theozentrismus genommen, um beim naturnahen Landschaftspark
anzukommen.
Nachdem im Eingangskapitel das England der
Parklandschaften aus der Vogelperspektive betrachtet und beschrieben wurde, geht
es zu den Ursprüngen der englischen Gartenkunst zurück, die sich einerseits als
Opposition zum französischen Barockgarten verstand, und andererseits Anleihen
bei antiken und italienischen Vorbildern nahm. Es ging nun nicht mehr um
Symmetrie und einem absoluten Herrschaftsanspruch, sondern immer mehr um die
Bedürfnisse der Pflanzen und der Natur selbst, sowie des Menschen, der sich
darin bewegt. Denn die Aufgabe eines solchen Naturparks ist es auch, zur
Kultivierung der menschlichen Natur beizutragen. Der englische Landschaftsgarten verfolgt daher
nicht nur einen ästhetischen, sondern auch einen ethischen Anspruch.
Die Idee des Gartens als ideale Welt
spiegelt sich ja bereits in den alten Mythen vom verlorenen Paradies wider. In
der englischen Gartenarchitektur geht es auch darum, diesen Verlust zumindest
in Ansätzen wieder auszugleichen. Dabei dient die Natur selbst als Vorbild. Man
will sie verbessern, ohne ihr Zwang anzutun. Licht und Schatten sind die wesentlichen
Gestaltungselemente.
Mit der Abwendung vom Theismus in der englischen
Aufklärung schwindet auch die Verachtung der Natur, sie tritt nun in ihrer
vielschichtigen Beziehung zum Menschen in den Vordergrund. Die Welt ist nicht
mehr das, was uns von Gott trennt, sondern man kann nun Gott in der Natur
finden. Damit erhält die lebendige Landschaft, in der sich der Mensch bewegt,
eine positive Bedeutung, auch für uns Menschen. Letztendlich gipfelt diese
Entwicklung in der Theozideefrage, die Streminger im letzten Kapitel kurz
behandelt: Liest man im Buch der Natur, lässt sich darin nichts Übernatürliches
finden. Ganz im Gegenteil: die Natur ruht in sich selbst und bedarf somit keines
Schöpfers; eventuell aber eines Gestalters...
Gerhard Streminger hat Philosophie und
Mathematik in Graz, Göttingen, Edinburgh und Oxford studiert. 1978 promovierte
er in Graz zum Doktor der Philosophie sub auspiciis Praesidentis. Nach seiner
Lehrtätigkeit an der University of Minnesota in Minneapolis habilitierte er
sich 1984 in Graz für das Fach Philosophie. Seit 1995 ist er außerordentlicher Universitätsprofessor
an der Universität Graz. Streminger ist als engagierter Naturalist Mitglied des
wissenschaftlichen Beirats der Giordano Bruno Stiftung. Mit seinem kleinen
Beitrag zur Geistesgeschichte der englischen Gartenkunst versteht es Streminger,
den Menschen wieder ins Zentrum des natürlichen Geschehens zu stellen. Der
englische Landschaftsgarten ist Ausdruck dieser Kehrtwendung hin zum Natürlichen und somit auch zum
Menschen. Die Natur wird dabei inszeniert, aber nicht vergewaltigt.
Gerhard Streminger
ECCE TERRA
Zur englischen Gartenkunst
Bibliothek der Provinz, Weitra 2013
ECCE TERRA
Zur englischen Gartenkunst
Bibliothek der Provinz, Weitra 2013
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